Alpakas in der Pflege-Wohngemeinschaft: Diakonie Gütersloh setzt auf tiergestützte Therapie

Nicht nur die Bewohner*innen der WG „Am Dortenbach“ haben Freude an der Begegnung mit den Alpakas. Auch Diakonie-Mitarbeiterin Helena Freilich freundet sich direkt mit Balou an.

Weiches Fell, das an ein Kuscheltier erinnert, und ein schmelzender Blick: Die Bewohner*innen der Pflege-Wohngemeinschaft „Am Dortenbach“ staunten nicht schlecht, als die beiden Alpakas „Theo“ und „Balou“ in ihrem Garten standen. Die Wiederkäuer aus den Anden werden im Rahmen der tiergestützten Therapie eingesetzt und besuchen einmal monatlich die Wohngemeinschaft des Diakonie Gütersloh e.V. in Rietberg.

Begleitet werden Theo und Balou von ihrer Trainerin Kristin Reckmann. Sie ist diplomierte Sozialpädagogin, Sozialarbeiterin und seit 2010 auch Fachkraft für tiergestützte Interventionen mit dem Schwerpunkt Lamas und Alpakas. Warum sie bei der tiergestützten Therapie ausgerechnet auf Alpakas setzt? „Ich bin selbst schockverliebt in diese Tiere“, sagt sie. Die großen, auffälligen Augen, das ruhige, ausgeglichene Temperament und die Neugier der Tiere haben Reckmann bereits 2009 überzeugt. Mittlerweile besitzt die Rietbergerin mit ihrer Unternehmung „Eden-Alpakas“ eine Herde mit sieben Hengsten und neun Stuten. Ausschließlich die Hengste trainiert sie als Therapie-Tiere; die Stuten werden zur Zucht eingesetzt.

„Alpakas? Kenne ich nicht!“

Bei den Bewohner*innen der Pflege-Wohngemeinschaft stieß die Besuchsankündigung zunächst auf Staunen bis Skepsis: „Alpakas? Kenne ich nicht!“ Solche Tiere haben die meisten der Senior*innen noch gar nicht gesehen. „Macht nichts“, meint Tatiana Kulakova, Einrichtungsleiterin der Wohngemeinschaft. Sie hatte die Idee, das außergewöhnliche Therapieangebot ins Haus beziehungsweise in den Garten zu holen. „Die Alpakas sehen freundlich und kuschelig aus. Und die Bewohnerinnen und Bewohner haben Gelegenheit, neue Erfahrungen zu machen“, erklärt sie ihre Entscheidung. Das wecke vor allem die demenziell veränderten Senior*innen regelrecht auf und aktiviere sie.

Als Theo und Balou das erste Mal den WG-Garten betreten, ist die anfängliche Zurückhaltung schnell dahin: Die Bewohner*innen streicheln die Tiere, füttern sie und halten sie an der langen Leine. „Wie weich das Fell ist“, staunt auch Annemarie Kleffner. Schnell möchte jeder einmal die Führungsleine halten, das weiche Fell fühlen.

Erinnern und gebraucht werden

Einige Mutige verfüttern Pellets aus einer Schüssel. Josef Duhme kommentiert den kleinen Ansturm von Theo: „Der hat ja richtig Hunger!“ Das Füttern macht nicht nur Spaß, sondern weckt das Gefühl, gebraucht zu werden. Die Bewohner*innen, die sonst selbst auf Unterstützung angewiesen sind, nehmen nun die Rolle der „Umsorger“ ein. Das tut gut und aktiviert die Senior*innen geistig wie körperlich. Um an das weiche Fell zu gelangen streckt sich so manche*r mehr als sonst, die körperlichen Beschwerden sind ein Stück weit vergessen. Und die Bewohner*innen erinnern sich wieder. Im ländlichen Kreis Gütersloh haben viele ihre Kindheit selbst auf einem Bauernhof verbracht, hatten sogar später eigene Tiere. Elisabeth Fahrenkemper erinnern die Lamas besonders an Schafe, die kennt sie von früher. „Bist du ein Schafsbock?“, fragt die Bewohnerin und lächelt. Die ältere Dame ist sicher im Umgang mit Theo, völlig angstfrei hält sie seine Leine und redet beruhigend auf das Tier ein.

Streicheln macht glücklich

Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen stärkt die alten Menschen ebenso wie das Streicheln des weichen Fells. Denn dabei wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Oxytozin – auch „Kuschelhormon“ genannt – sorgt für Entspannung und Glücksgefühle bei den Senior*innen. Außerdem wird die Durchblutung gefördert; Stresshormone und der Blutdruck sinken. Von dieser positiven Wirkung profitieren die Bewohner*innen der Pflege-Wohngemeinschaften der Diakonie Gütersloh bereits seit der Einführung des Therapie-Roboters „JustoCat“ Ende 2017: Dabei handelt es sich um ein Plüschtier in Katzenform, in dem sich ein Motor mit Sensoren verbirgt. Die JustoCat schnurrt, miaut, simuliert Atembewegungen und wiegt etwa zweieinhalb Kilogramm. Sie wurde speziell für Menschen mit Demenz bis hin zu fortgeschrittener Demenz entwickelt. Das Gefühl, eine schnurrende, atmende Katze auf dem Arm zu halten, und die Wahrnehmung des Gewichts und des Fells wecken vertraute Erinnerungen.

Nun wurde der Einsatz der JustoCat um die tiergestützte Therapie mit Alpakas ergänzt. Das gefällt auch den Angehörigen. „Eine schöne Abwechslung!“, meint Maria Aufderheide. Ihre Mutter Anna Pollkläsener wohnt in der WG in Rietberg und freut sich schon auf den nächsten Besuch der sanftmütigen Alpakas.