Ein Jahr Pflege-Wohngemeinschaft Gut Rietberg: „Wir haben uns gefunden“

Nicole Karg, die Leitung der Wohngemeinschaft Gut Rietberg, blickt auf ein ereignisreiches erstes WG-Jahr zurück.

Vor einem Jahr eröffnete der Diakonie Gütersloh e.V. auf Gut Rietberg seine 14. Pflege-Wohngemeinschaft. Die Startbedingungen in einem der schneereichsten Winter der vergangenen Jahre, mit einem neuen Team, neuen Bewohner:innen und inmitten der Corona-Pandemie waren herausfordernd. „Mittlerweile läuft aber alles rund“, berichtet Nicole Karg, die die Wohngemeinschaft leitet. Ein Einblick.

Von den insgesamt 14 Pflege-Wohngemeinschaften der Diakonie sind zwölf auf die Versorgung von Menschen mit Demenz spezialisiert. So auch die Einrichtung auf Gut Rietberg. Sieben Männer und elf Frauen im Alter zwischen 59 und 95 Jahren leben hier gemeinsam. „Eine bunte Gesellschaft“, sagt Nicole Karg lachend. Sie erinnert sich gut an die ersten Monate, als nach und nach neue Bewohner:innen einzogen und die Gruppendynamik sich laufend änderte. „Das Schöne ist, dass sich die Gruppe nun gefunden hat“, erklärt sie. „Mein Team und die Angehörigen halten klasse zusammen. Ich glaube, wir haben uns alle gefunden.“

Alles in allem 18 Mitarbeitende – darunter zwei Azubis – versorgen die Pflegebedürftigen rund um die Uhr. Auch einige der Mieter:innen der seniorengerechten Wohnungen im Obergeschoss greifen auf die pflegerische Unterstützung durch die Diakonie zurück; viele sind regelmäßig zu Gast am Mittagstisch in der Wohngemeinschaft.

Ausflüge mit dem E-Mobil statt großer Veranstaltungen

Der Zusammenhalt untereinander hilft auch über kleine Rückschläge hinweg. So mussten wegen der Pandemie geplante Veranstaltungen immer wieder abgesagt werden. „Stattdessen haben wir einfach kleine Ausflüge mit unserem E-Van unternommen“, erzählt Nicole Karg. Mit dem Fahrzeug, das die Deutsche Postcode Lotterie gefördert hatte, ging es beispielsweise zum Gartenschaupark Rietberg. „Das hat den Bewohnern sehr gut gefallen. Schon allein die Besichtigung des Wagens war total aufregend“, berichtet die Leiterin der Pflege-WG. „Auch das ist Aktivierung und Teil unseres Konzepts.“

Selbstbestimmung und Biografiearbeit gehören zum Konzept

Zu diesem Konzept gehört ebenfalls, vorhandene Ressourcen zu erhalten und zu fördern. Karg nennt ein Beispiel: „Wenn jemand Messer und Gabel nicht mehr halten, mit den Fingern aber noch wunderbar selbst essen kann, dann soll er oder sie dies auch tun dürfen. Auch das ist ein Stück Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit.“

Bis 11 Uhr ausschlafen? Abends spät ins Bett? Lieber morgens duschen als abends – oder umgekehrt? „Natürlich geht das! Wir richten uns nach den Bewohnern und nicht umgekehrt“, betont Nicole Karg. Biografiearbeit spiele dabei eine wichtige Rolle. Denn oft erleben Demenzkranke den Verlust der kognitiven Fähigkeiten und die Auflösung der gewohnten Strukturen angstvoll und als Ende der eigenen Persönlichkeit. Ziel der Biografiearbeit ist es unter anderem, den demenziell veränderten Menschen besser zu verstehen und ihm das Gefühl zu vermitteln, dass er Vertrauen in sich und seine Umwelt fassen darf. „Dafür setzen wir beispielsweise unseren Qwiek ein, eine Art Projektor“, sagt Nicole Karg. Angehörige der Bewohner:innen laden alte Fotos auf Speichersticks, die dann über das Gerät abgespielt und großformatig auf eine Wand projiziert werden. Das regt an, ins Gespräch zu kommen, weckt Erinnerungen und führt nach den Erfahrungen der Pflegerinnen zu einer entspannten Atmosphäre bei der Grundpflege.

Vorfreude auf den Frühling

Im Frühling soll es vermehrt Aktivitäten an der frischen Luft geben. Dann wird der Garten für die Pflege-Wohngemeinschaft angelegt. „Und es geht auch mal in die Beete“, plant Nicole Karg. Beim Gärtnern könne man der älteren Generation nichts vormachen, findet sie: „Wir junges Gemüse werden bestimmt noch viel lernen dürfen.“