Offener Brief der AG Wohlfahrt im Kreis Gütersloh: "Ein Wiedereinsetzen des Rettungsschirms ist zwingend nötig"

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"Als Gesellschaft stehen wir zurzeit Ausgaben in buchstäblich exorbitanter Höhe gegenüber. Steigende Kosten allenthalben, Inflation, Ausgaben fürs Militär, Rentenlücken, die es zu schließen gilt .... Und auch die Corona-Pandemie bleibt uns erhalten – mit allem, was damit einhergeht. Als Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände verstehen wir, wie schwierig es ist, allen gerecht zu werden. Angesichts des nahenden Herbsts appellieren wir jedoch dringend an die Politik auf Bundes- und Landesebene, den Corona-Rettungsschirm für die Pflege schnellstmöglich wieder ins Leben zu rufen. Dieser war zum 1. Juli dieses Jahres ausgelaufen und hatte zuvor unter anderem coronabedingte Mehrkosten und Mindereinnahmen gedeckt.

Warum diese Forderung?

 

Auch wenn die Pandemie Alltag geworden ist, ist der Umgang damit noch längst nicht alltäglich. Denn natürlich gibt es immer noch Corona-Ausbrüche in Pflegeeinrichtungen. Und auch wenn die Verläufe deutlich milder ausfallen als 2020 oder 2021, sind im Fall von Infektionen in Pflegeeinrichtungen weiterhin Schutzmaßnahmen gesetzlich vorgeschrieben.

 

Was heißt das? Einerseits eine hohe Belastung für Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen. Teilhabeangebote werden eingeschränkt, ggf. werden durch die Gesundheitsämter Besuchsverbote und Zimmerisolationen verhängt. Mitarbeiter:innen arbeiten in kompletter Schutzmontur und müssen die Ausfälle von Kolleg:innen in Isolation auffangen. Zu dieser psychischen und physischen Belastung kommt nun auch die finanzielle. Beispiel Schutzausrüstung: Schutzkittel und Masken müssen mehrmals täglich gewechselt werden. Für ein Altenheim mit 100 Bewohnern liegen die Sachkosten im Falle eines Ausbruchs nur für die hygienische Ausrüstung schnell bei über 50.000 Euro pro Monat. Eventuell werden leerstehende Zimmer nicht sofort wiederbelegt, um neue Bewohner:innen keinem Infektionsrisiko auszusetzen. Auch hier sprechen wir von Einnahmeausfällen, die sich schnell aufsummieren.

 

Zudem gibt es immer noch Einrichtungen, die weiterhin unter ausbleibenden Kund:innen leiden. In unserem Fall konkret die Tagespflegen, in denen pflegebedürftige Menschen tagsüber versorgt und betreut werden. Bei vielen Gästen herrscht weiterhin eine gewisse Scheu und Furcht vor Ansteckung, sodass die Auslastung mit 70 bis 75 Prozent weiter unter dem Vor-Corona-Durchschnitt liegt. Mit Kundenwerbung ist es nicht getan. Hier steht derzeit eine ganze Versorgungsform auf der Kippe!

 

Große Träger kriegen all das vielleicht noch aufgefangen. Für kleinere Träger könnte jeder Corona-Ausbruch ein Genickbruch sein – genauso wie anhaltende Auslastungen unter Schnitt. Solange wir Covid-19 also immer noch als Pandemie behandeln – mit allen Auflagen und Regeln im Infektionsschutz – benötigt die Pflege den Rettungsschirm!

 

Einige werden nun sicherlich sagen, dass man die Mehrkosten und Mindereinnahmen bei den Preisverhandlungen mit den Kostenträgern einkalkulieren soll. Nur: Wie soll das realistisch gehen, wenn keiner weiß, welche Varianten und Gesetze noch kommen werden? Und vor allem: Wählt man am Ende diesen Weg, wird vor allem eine Gruppe noch mehr belastet: die unserer pflegebedürftigen Kunden. Pflege war schon vor der Pandemie teuer, und die aktuelle Situation treibt schon jetzt die Nebenkosten, die Sach- und die Personalkosten in unseren Einrichtungen in die Höhe. Und nun noch die Kosten durch Corona-bedingten Auflagen? Das funktioniert so nicht, und somit sehen wir mit großer Sorge auf die kommenden Monate.

 

Als Freie Wohlfahrtverbände, die wir mit mehreren tausend Mitarbeiter:innen noch mehr Menschen im Kreisgebiet pflegen und versorgen, sagen wir: Gehen Sie schon jetzt das Thema Rettungsschirm an und setzen Sie sich dafür ein, ihn noch in diesem Herbst wieder ins Leben zu rufen – vor der zu erwartenden Corona-Welle!"

 

 Gezeichnet

 

Björn Neßler (Vors. der AG Wohlfahrt, Vorstand Diakonie Gütersloh)

Ingo Hansen (Vorstand Diakonie im Kirchenkreis Halle)

Burkhard Kankowski (Geschäftsführer Verein Daheim)

Ilka Mähler (Vorstand DRK Kreisverband Gütersloh)

Matthias Timmermann (Vorstand Caritasverband für den Kreis Gütersloh) Kristina Witschel (Vorsitzende des Paritätischen Kreis Gütersloh)

Ulrike Boden (Geschäftsführerin AWO Kreisverband Gütersloh)