Woche der Demenz macht auf Volkskrankheit aufmerksam: Ein neues Miteinander finden

Rund um den Welt-Alzheimertag am 21. September 2022 findet die Woche der Demenz statt. Damit soll die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf eine Volkskrankheit gelenkt werden, die mittlerweile etwa 1,8 Millionen der insgesamt 83,2 Menschen in Deutschland betrifft. Demenz verändert nicht nur das Leben der Erkrankten selbst, sondern auch das ihrer pflegenden Angehörigen. „Das Miteinander kann gut gelingen, wenn Verständnis herrscht und auch Hilfe angenommen wird“, wissen Silke Stitz, Demenzberatung Diakonie Gütersloh, und Simone Nogossek von der Demenzberatung des DiakonieVerbands Brackwede.

Auch wenn jüngere Senior:innen ebenfalls erkranken können: Es betrifft zumeist die Hochaltrigen über 85 Jahre. Denn Alter ist ein Risikofaktor für Demenz. Mit einer zunehmend alternden Bevölkerung wird laut der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft auch die Zahl der Betroffenen weiterwachsen, den Schätzungen zufolge auf 2,4 bis 2,8 Millionen Menschen bis zum Jahr 2050. Die Ausprägung kann unterschiedlich ausfallen, von leichter Orientierungslosigkeit bis hin zu dem Punkt, an dem selbst die engsten Angehörigen nicht mehr erkannt werden. Dazwischen bietet die Erkrankung jede Menge Potenzial sowohl für Konflikte als auch für ein Wiederaufblühen des Miteinanders. „Da gibt es Herren, die wunderbar tanzen können. Gedichte aus Kindertagen werden fehlerfrei aufgesagt, alte Lieder fröhlich gesungen, die Freude an Gesellschaftsspielen wiederentdeckt“, nennt Silke Stitz einige Beispiele. Der Stolz, der dann aus den Augen der Menschen mit Demenz spricht, sei berührend und schenke auch den Angehörigen Kraft und Freude.

Klarheit für selbstbestimmte Entscheidungen

Vergesslichkeit bedeutet nicht automatisch Demenz. „Sie kann unterschiedliche Gründe haben“, erklärt Simone Nogossek. Oft trinken ältere Menschen zu wenig und wirken deshalb verwirrt; oder die Verwirrtheit deutet auf eine andere Erkrankung hin. „Daher ist es sehr wichtig, die Ursachen ärztlich abzuklären.“ Erhärtet sich die Diagnose Demenz, empfiehlt Nogossek den Betroffenen und ihren Familien, offen über das Thema zu sprechen. Dabei können Patientenverfügungen, sonstige Vollmachten sowie das Erbe geregelt werden. Simone Nogossek versteht, dass das für einige erschreckend wirkt, aber es bedeutet auch eine Chance auf Selbstbestimmung: „So können Menschen, deren Demenz noch nicht allzu weit fortgeschritten ist, ihre Wünsche genau äußern und eigene Entscheidungen treffen.“

Beratungsstellen können unterstützen

Eine spezialisierte Beratungsstelle wie die Demenzberatung der Diakonie Gütersloh und des DiakonieVerbands Brackwede unterstützt darüber hinaus. Hierbei geht es beispielsweise um die Beantragung eines Pflegegrades, Informationen rund um die Krankheit, Möglichkeiten der Versorgung und die Organisation der Pflege. „Wer in die Aktivität kommt, der fühlt sich nicht als Opfer der Umstände, sondern als Gestalter“, bekräftigen die Demenzberaterinnen. Zur Gestaltung gehört auch fundiertes Wissen, das Silke Stitz in speziellen Kursreihen für Angehörige von Demenzkranken vermittelt. Ein solcher Kurs findet demnächst vom 26. Oktober bis zum 30. November, 19:30 bis 21:30 Uhr, im Haus der Diakonie an der Hauptstraße 90 in Rheda-Wiedenbrück statt.

Und dann fänden sich auch Lösungen. „Ich wurde einmal von einem Sohn zu einem Beratungstermin hinzugebeten. Seine Mutter, über 80 Jahre alt, kam nicht ganz so gut im Haushalt zurecht, vor allem beim Kochen. Nun hatten wir es mit einem Ehemann zu tun, der noch nie etwas in der Küche gemacht hatte“, erzählt Nogossek. Man einigte sich auf ein Essen auf Rädern, und so klappte das weitere Zusammenleben mit kleinen Unterstützungen im Haushalt.

Atempausen für Pflegende Angehörige

Sich in die Fülle der neuen Aufgaben zu stürzen habe Grenzen, weiß Silke Stitz. „Wir nehmen daher neben den Demenzkranken auch immer die pflegenden Angehörigen in den Blick. Sie geben sehr viel. Da ist es wichtig, dass sie sich auch gut um sich selbst kümmern.“ Laut der aktuellen Studie „D80+ – Hohes Alter in Deutschland“ lebt die Mehrheit (69,3 Prozent) der hochaltrigen Menschen mit Demenz zuhause. Etwas mehr als ein Drittel von ihnen benötigt keine Unterstützung von Angehörigen oder Pflegediensten. Der Großteil derjenigen, die Hilfe benötigen, wird von Angehörigen versorgt. „Für pflegende Angehörige sind Verschnaufpausen entscheidend“, bekräftig Stitz. Passgenaue Unterstützung bieten spezielle Betreuungsgruppen für Demenzkranke, Tagespflegen, Haushaltshilfen, die Kurzzeitpflege oder Selbsthilfegruppen. In solchen Gruppen werde schnell klar, dass die eigene Erfahrung geteilt wird. Und meistens hat eine oder einer der Teilnehmenden eine Idee oder Lösung parat. Simone Nogossek erzählt von kleinen Kärtchen, die beispielsweise bei einem Restaurant- oder Arztbesuch im Wartezimmer diskret vorgezeigt werden können. Darauf steht die Diagnose Demenz und auch die Bitte um Verständnis. „Die Reaktionen darauf sind positiv und entspannen die Situation. Betroffene und pflegende Angehörige machen diese positive Erfahrung und treten wieder mehr in die Öffentlichkeit, raus aus der Isolation“, sagt sie.